Les Echos: Ein erfolgreiches abonnementbasiertes Geschäftsmodell durch verstärkte Zusammenarbeit und eine neue Ausrichtung auf die Leserschaft

Table Stakes Europe ermöglichte es dem französischen Verlag, die Zusammenarbeit zwischen der Redaktion und anderen Abteilungen des Unternehmens zu straffen und zugleich der Redaktion eine klare Führungsstruktur zu verleihen. Im Laufe des Programms machte Les Echos zudem erhebliche Fortschritte bei der Segmentierung und Bereitstellung spezifischer Inhalte für seine Zielgruppen, einschließlich weiblicher Leserinnen und des Startup-Ökosystems.

Interview mit Marie Van de Voorde, Herausgeberin, und François Vidal, stellvertretender Chefredakteur.

Was waren Ihre wichtigsten Fragen, als Sie zu Table Stakes Europe kamen?

Marie Van de Voorde: Einige Monate vor Beginn des Programms haben wir unsere Paywall umgestellt. Während der Pandemie stieg die Zahl der Digitalabonnenten, und wir hatten zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Zusammenarbeit begonnen. Allerdings hatte die Redaktion nur wenig Kontakt zu den Teams für Abonnement- und Kundenmarketing. Wir mussten die Zusammenarbeit im Rahmen unseres Projekts verbessern. Und genau an dieser Stelle kam Table Stakes ins Spiel. Wir fingen also nicht bei null an, aber es gab noch Raum für Verbesserungen.

François Vidal: Die Redaktion hatte bereits im vergangenen Herbst die Umstellung auf digitale Medien vollzogen. Somit verfügten wir über die Grundvoraussetzung, eine digital ausgerichtete Redaktion. Wir wussten aber auch, was noch verbessert werden musste, vor allem in Bezug auf das Zielgruppenmanagement: CRM, Timing, marktspezifische Anforderungen. Wir hatten wirklich den Willen, besser zu werden, aber wir befanden uns in einer Art Panikstarre und wussten nicht so recht, wo wir anfangen sollten. Es gab Zeiten, in denen wir mit anderen Abteilungen in Kontakt standen, aber das geschah alles nur punktuell, für bestimmte Projekte und in der Regel dann, wenn etwas schieflief. Vor allem aber war uns nicht ganz klar, wer für den digitalen Wandel in der Redaktion wirklich zuständig war. Es fehlte die Führung. Der Ansatz von Table Stakes bot eine Struktur, die die Führungsrolle in der Redaktion klärte. Später wurde ein Rahmen festgelegt, in dem wir in Punkto Zielgruppen Fortschritte erzielen konnten und der sich an einem übergeordneten Ziel orientiert. Es ist ein methodenbasierter Kurs, der den Dialog mit den anderen Abteilungen des Unternehmens eröffnet hat.

Marie: … eigentlich ein fast schon militärischer Ansatz! Er erfordert Disziplin und Anstrengung, und das ist eindeutig einer der Punkte, die zu dem positiven Ergebnis beigetragen haben.

Worin lagen zu Beginn des Projekts Ihre Stärken im Hinblick auf Digital-Abos?

Marie: Eine der Stärken ist die tägliche Unterstützung durch unser Team für das Zielgruppenmarketing. Und das ist wirklich eine große Stärke. Unsere Redaktion ist sehr engagiert, motiviert und offen für Zusammenarbeit. Sie sind bereits voll dabei. Außerdem verfügen wir über viel Fachwissen in allen Bereichen: Zielgruppenmarketing, Daten und Kundenmarketing. Und schließlich haben wir im Vergleich zu vielen unserer Kollegen, die nach einem generalistischen Ansatz arbeiten, eine sehr klare Marketingpositionierung: Wir bedienen professionelle Zielgruppen, und das macht den Unterschied.

François: Abonnements sind fester Bestandteil der Kultur von Les Echos. Im Gegensatz zu den meisten französischen Tageszeitungen ist Les Echos eine Zeitung, deren Geschäftsmodell seit jeher auf Abonnements basierte. Für die Mitarbeiter in der Redaktion ist es eine Herzensangelegenheit, Abonnenten zu haben, sie zu bedienen und zufrieden zu stellen. Sobald klar war, dass wir uns beim digitalen Wandel auf die Abonnements konzentrieren würden, war die Redaktion fast erleichtert. Das, was sie bereits konnten, hatte in der Welt der Zukunft einen Wert! Natürlich muss sich vieles ändern, aber das Kerngeschäft bleibt dasselbe.

Sie haben gerade Ihre Stärken genannt. Worin lagen Ihre größten Herausforderungen?

Marie: Zunächst einmal ist das etwas, woran wir langfristig arbeiten müssen. Und zweitens denke ich, dass eine unserer potenziellen Herausforderungen oder Schwächen die Kehrseite unserer Marktposition ist. Unsere Marke und unsere Inhalte können manchmal auf den ersten Blick zu technisch erscheinen, oftmals wesentlich mehr, als sie es in Wahrheit sind. Im Moment haben alle Zielgruppen, die wir als besonders vielversprechend identifiziert haben, noch ein Bild von Les Echos, das mit dem, was wir sind, nicht viel zu tun hat. Sie denken, dass wir Inhalte anbieten, die viel weniger zugänglich sind, als sie es in Wirklichkeit sind.

François: Früher haben wir Inhalte für eine sehr breite Zielgruppe produziert: für Führungskräfte von Unternehmen, für Entscheidungsträger, aber ohne sie wirklich genau zu definieren und ohne unbedingt zu versuchen, sie explizit zu bedienen, wie wir es bei Table Stakes tun. Wir haben nach einem generalistischen Ansatz und nicht genug daran gearbeitet, unsere Zielgruppen zu differenzieren.

Wie haben Sie Ihre spezifischen Zielgruppen bestimmt?

Marie: Erst durch Table Stakes haben wir uns so richtig mit dem Konzept der AudienceS (Zielgruppen) vertraut gemacht, im Plural und mit einem großen S am Ende! Zu diesem Thema wurden spezielle Workshops organisiert. Wir haben uns auf das konzentriert, was ich die „alten Schätzchen“ nennen würde. Ich denke dabei vor allem an die weiblichen Leser. Es ist bezeichnend, dass wir diese Zielgruppen schon seit mindestens zwei Jahren im Blick haben, ohne wirklich zu wissen, wie wir sie ansprechen und wo wir mit unserer Arbeit ansetzen sollen. Mit der Zielgruppe der „Start-ups“ sieht es ähnlich aus. Es gab in der Redaktion ein echtes Interesse, mit einem hoch motivierten Team ein redaktionelles Angebot zu entwickeln, und gleichzeitig fehlte es an Dynamik, um in Gang zu kommen und uns in diesem Ökosystem zu positionieren. Wir mussten diese Zielgruppen durch unseren „Kriterienfilter“ laufen lassen, um sie nach Prioritäten zu ordnen und besser bedienen zu können.

Nach welchen Kriterien sind Sie vorgegangen?

Marie: Eine Mischung aus Table Stakes-Kriterien und eher internen Ansätzen. So passte das Start-up-Vertical, das wir auf den Markt brachten, eher zu dem modernen Image, das wir vermitteln wollten, ohne jedoch zusätzliche Inhalte zu enthalten. Die Table Stakes-Kriterien halfen uns dabei, schneller zu sein. Auch Interesse und redaktionelle Kompetenz waren wichtige Kriterien. Würden wir es schaffen, schnell erste Erfolge zu erzielen? Wir hatten damals eine Art mentale Blockade, weil wir immer das Gefühl hatten, nur durch komplexe, entwicklungsintensive Projekte etwas erreichen zu können. Schließlich aber stellten wir fest, dass wir sehr wohl effektive Produkte herstellen konnten, ohne dafür große Unterstützung durch die technische Abteilung zu benötigen.

François: Dank der Idee „Ausprobieren und Lernen“ erscheinen große Sprünge weniger dramatisch. Das ist wirklich wichtig. Das Kriterium des „Newsroom Appetite“ (Interesse in der Redaktion) ist ebenfalls entscheidend. Im Bereich der Start-ups gab es einen echten Wunsch und Enthusiasmus.

War es einfach, der Redaktion diesen stärker segmentierten Ansatz für Inhalte zu vermitteln?

François: Dieser Prozess läuft noch. Einige Redaktionsbereiche verfolgen diesen Ansatz bereits. Der Bereich „Start-up“ schreibt beispielsweise für eine bestimmte Community und versorgt die Leser mit Inhalten, die ihnen nützen. Dasselbe gilt für den Bereich „Kulturerbe“. Für viele Mitarbeiter in der Redaktion ist es schwieriger, weil sich die Vorstellung hartnäckig hält: „Wir sind Les Echos, und der Leser soll sich an unser Angebot anpassen und sich das aussuchen, was er braucht. Bei uns gibt es keine Mentalität, die darauf ausgerichtet ist, unseren Lesern zu dienen; wir erfüllen nicht ihre Erwartungen und Bedürfnisse. Manchmal veröffentlichen wir nicht genug Artikel mit Serviceangeboten oder Tipps. Wir haben das Glück, Journalisten zu haben, die in ihrem Bereich beispielhaft sind, aber vielleicht müsste der Servicegedanke bei ihnen noch stärker in den Vordergrund rücken.

Empfinden Sie es als schwierig, sie für diesen Aspekt ihres Auftrags zu gewinnen?

François: Ja, manchmal haben sie das Gefühl, ihre Rolle sei im Niedergang begriffen, als würden sie etwas weniger Wertvolles anbieten. Für sie ist die Suche nach Informationen, die Arbeit an vorderster Front eine ehrenwerte Aufgabe; eine Dienstleistungskultur ist es weniger. Aber wir werden mit gutem Beispiel vorangehen und beweisen, dass es ein Interesse daran gibt.

Was war das Schwierigste bei der Wahl Ihrer Zielgruppen?

Marie: Eigentlich war es ganz einfach. Die größte Schwierigkeit bestand darin, nicht alles gleichzeitig auf den Weg zu bringen und einige wichtige Ziele vorerst beiseitezulassen.

Sie haben sich auch quantitative Ziele pro Zielgruppe gesetzt. Empfinden die Journalisten das als Abwertung?

François: Es ist keine Abwertung, und sie spüren das nicht in dem Maße wie das Vertriebsteam. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass wir diese Ziele erreichen können, wenn wir unsere Arbeit als Journalisten gut machen. Wir betrachten sie nicht als den Heiligen Gral, das ist nicht unsere Kultur. Aber wir wissen, dass wir Fortschritte machen. Die Journalisten in unseren verschiedenen Bereichen sind wie Leute vor Ort. Sie schreiben über Menschen, mit denen sie in Kontakt stehen, die ihre Quellen sind und mit denen sie ständig zusammen sind, wie in einer lokalen Gemeinschaft. Ihr eigenes Umfeld gibt ihnen das Gefühl, dass das, was sie tun, sehr gut ist.“

Wie würden Sie zum jetzigen Zeitpunkt Ihre Entscheidungen und Ihren Ansatz bewerten?

Marie: In diesem Stadium ist es unmöglich, die Wirkung des Programms quantitativ zu bewerten. Aber Table Stakes hat uns wirklich dabei geholfen, das Tempo unserer redaktionellen Innovationen zu erhöhen. Wir haben bereits zwei Newsletter herausgebracht, von denen einer sehr erfolgreich ist, und ein ganz neues Vertical geschaffen. Bis zum Ende des Programms werden wir sicherlich noch zwei weitere Newsletter herausgeben und wahrscheinlich auch eine Reihe von Webinaren. Um ehrlich zu sein, haben wir sogar noch mehr Fortschritte gemacht als letztes Jahr, als wir in einer Zeit großer aktueller Ereignisse auch neue Produkte auf den Markt gebracht haben.

François: Es ist schwierig, jetzt schon endgültige Schlüsse aus den Zahlen zu ziehen. Klar ist, dass wir es geschafft haben, uns viel schneller zu entwickeln als zuvor, auch in Bereichen, in denen das nicht möglich schien. Der Newsletter von Nicolas Barré, zum Beispiel. Das hatten wir schon länger im Sinn. Es war ein Traum, aber wir haben nicht daran geglaubt. Nun haben wir es gemacht und es ist ein Hit. Es ist wahrscheinlich der größte Erfolg, den wir bis jetzt hatten. Die Zahlen sprechen für sich selbst. Das zeigt, dass wir mit unserem Ansatz richtig liegen.

Was hat Sie dazu bewogen, die Sache jetzt anzugehen?

François: Das hat viel mit kollektiver Intelligenz zu tun. Wir haben uns auf das Ziel verständigt, wir haben das Timing besprochen, schnelle Entscheidungen getroffen und korrigiert, was am Anfang nicht funktioniert hat. Das ist uns gelungen, weil Nicolas Barré, unser Chefredakteur, aktiv mitgearbeitet hat und auch, weil von Anfang an alle Kompetenzen am Tisch saßen.

Marie: Die regelmäßigen Sitzungen zwangen uns, alles genau zu überwachen. Man kann ständig eine Menge Newsletter herausgeben. Aber noch nie zuvor hatten wir sie so sorgfältig entwickelt und überwacht. Wenn man jede Woche gefragt wird: „Wo stehen wir mit der Nummer 0?“, dann hält einen das ganz schön auf Trab.

Und etwas weiter gefasst: Welchen Einfluss hat Table Stakes auf Ihren Betrieb?

Marie: Table Stakes war eine großartige Motivation für unser Team. Für die Teilnehmer aus den Bereichen Kundenmarketing, Daten und Digitalmanagement ist das Programm ein großer Gewinn, und ich hoffe, dass sich das auch auf die Teams überträgt.

François: Die Redaktion arbeitet oft völlig unabhängig vom Rest des Unternehmens. Dieses Programm hat uns geholfen, einen Dialog zu eröffnen und die Anforderungen der anderen Teams zu verstehen. In unseren wöchentlichen Meetings können wir frei sprechen und einen direkten Dialog führen. Das haben wir in anderen Meetings nicht. Bei Table Stakes scheint es einfacher zu sein, Meinungen zu äußern, sie zu vergleichen, sich auch mal zu irren und das rückgemeldet zu bekommen, ohne dass es ein Problem ist. Das ist eine der größten Errungenschaften des Projekts.