Der Nordkurier, ein Verlag aus Mecklenburg-Vorpommern, hat einen wöchentlichen Newsletter ins Leben gerufen, um die Verbindung zwischen früheren Bewohnern der Region und ihrer Heimat in Gegenwart und Zukunft zu stärken. Der Newsletter zählt inzwischen rund 2.800 Abonnenten und hat dem Herausgeber neben der Werbung noch weitere Geschäftsmöglichkeiten eröffnet.
Heute leben in Mecklenburg-Vorpommern etwa 1,6 Millionen Menschen, womit das Land zu den am dünnsten besiedelten der 16 Bundesländer gehört. Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 erlebte der Nordosten Deutschlands eine Bevölkerungsabwanderung, da die Menschen ihre neuen Freiheiten nutzten, um sich anderswo nach wirtschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten umzuschauen.
Doch wie so oft sind viele der Auswanderer durch Familie und Freunde der Heimat stark verbunden geblieben, und kehren häufig zu Besuchen zurück.
„Viele dieser Menschen kommen drei- bis fünfmal im Jahr wieder“, erklärt Alex Drößler, Digital Transformation Manager beim Nordkurier. Er leitet auch die Produktentwicklung des Unternehmens. Viele der ehemaligen Bewohner sind regelmäßige Nutzer der Nordkurier-Website, fügt er hinzu.
Darüber hinaus ist die Region für ihre Naturschönheiten bekannt. Eine ausgedehnte Ostseeküste, drei der 14 Nationalparks der Republik, mehrere hundert Naturschutzgebiete und zahlreiche Seen gehören dazu. Daher ist die Gegend ein beliebtes Urlaubsziel der Deutschen, und viele ehemalige Bewohner verbringen regelmäßig ihre Ferien dort.
Verbindung zur Gemeinschaft
Unter Anwendung der Jobs-to-be-Done-Theorie/Perspektive überlegte die Redaktion des Nordkurier, welche Zielgruppensegmente sie ansprechen und mit welchen Produkten sie diese erreichen könnte.
Nach einem internen Workshop und mehreren persönlichen Gesprächen mit Mitgliedern der angestrebten Zielgruppe beschloss der Nordkurier, einen Newsletter zu erstellen, der sich speziell an ehemalige Bewohner richtet.
Die Veröffentlichung mit dem Namen „Heimweh” wurde Ende letzten Jahres entwickelt und erschien erstmals im Dezember 2020.
„Heimweh“ bietet eine Mischung aus lokalen Inhalten, wie neue Entwicklungen in der Region, Tipps für den nächsten Besuch oder Fotogalerien, sowie interaktive Komponenten.
„Unser Newsletter enthält immer ein Engagement-Element“, erklärt Drößler. „In diesem Zusammenhang bitten wir die Leserinnen und Leser um Fotos oder alte Bilder aus ihrer Heimatstadt, oder wir bitten sie, ihre Geschichte zu erzählen: Wann sie weggezogen sind, warum, und wie sie jetzt leben. Manchmal zieht es die Leute wieder zurück. Dann wünschen wir uns eine nette Story über ihre Motivation, aus der Fremde heimzukehren.“
Ein weiteres regelmäßiges Feature ist ein Foto-Quiz. Ein besonderes Merkmal der Region wird dabei auf eine etwas obskure Art dargestellt so dass die Leute ein wenig darüber nachdenken müssen. Das soll Erinnerungen wecken.
„Die Menschen reagieren darauf und teilen ihren Blick in die Vergangenheit mit uns und den anderen Lesern“, sagt Drößler.
Ein Gefühl der Gemeinschaft
„Heimweh“ möchte seinen Lesern nicht nur relevante Nachrichten bieten, sondern auch ein Gefühl der Gemeinschaft vermitteln.
„Der Mehrwert dieses Newsletters besteht zunächst darin, einen Überblick über die wichtigsten Meldungen der vergangenen Woche zu geben, positive Bilder aus der Region zu zeigen und über die Menschen zu berichten, die zurückgekommen sind – also, die weggegangen und wieder zugezogen sind. Aber wir wenden uns auch an die Menschen, die heute woanders leben, um ein Gemeinschaftsgefühl mit der hiesigen Bevölkerung zu erzeugen“, erläutert Drößler das Konzept.
Der neue Newsletter fand bei den ehemaligen Bewohnern großen Anklang, und schon bald meldeten sich Hunderte von Personen an.
„Ich erinnere mich an eine Person, die sagte: ‚Ich war bei meiner Mutter zu Besuch. Es gibt mir immer ein besonderes Gefühl, diesen Newsletter zu lesen. Es ist wie ein warmes Gefühl des Heimkommens‘“, beschreibt Drößler die Reaktionen.
Im Oktober zählte „Heimweh“ rund 2.800 Abonnenten und eine Leserate von etwa 50 Prozent. Nach einem starken Anstieg der Abonnenten in den ersten Monaten stagnierte die Zahl der Neuanmeldungen zuletzt, so dass der Nordkurier nach neuen Wegen sucht, um mehr Menschen zu einem Abonnement zu bewegen.
Zu den erprobten Maßnahmen gehört das Einstellen von Formularen für die Newsletter-Anmeldung unter die Online-Ausgabe von Nordkurier-Artikeln, die nach Meinung der Redakteure für ehemalige Einwohner von Interesse sein könnten. Außerdem ist mehr Werbung in den sozialen Netzwerken, insbesondere auf Facebook, geplant.
Als Nächstes, so Drößler, will man Nutzern versuchsweise Anreize dafür bieten, dass sie den Newsletter weiterempfehlen. Er möchte mit „Heimweh“ mehrere Formen des Empfehlungsmarketings ausprobieren, die das bekannte Medienunternehmen Morning Brew in den Vereinigten Staaten praktiziert hat.
Für diejenigen, die Morning Brew nicht kennen: Ausgehend von einem einzigen täglichen Newsletter im Jahr 2015 hat sich das Unternehmen zu einer Multiplattform mit inzwischen über 3 Millionen Abonnenten entwickelt (Newsletter, Podcasts, Videos und Veranstaltungen). Dieses enorme Wachstum ist zu einem großen Teil auf besonders innovative Marketingmaßnahmen zurückzuführen.
Es muss sich lohnen
Parallel zur Entwicklung des redaktionellen Konzepts von „Heimweh“ stellte sich die Frage: „Wie können wir damit Geld verdienen?“
Drößler beschreibt die zwei Hauptmöglichkeiten, die dazu in Betracht gezogen wurden. Ein Ansatz bestand darin, den Newsletter langfristig als Trichter für potenzielle Abonnenten zu nutzen, wie es viele andere Nachrichtenverlage mit ihren Newslettern tun.
Die andere Idee lief darauf hinaus, „Heimweh“ zu einem eigenständigen Produkt mit eigenen Einnahmequellen zu entwickeln.
Aus Gesprächen mit den ehemaligen Bewohnern der Region ging hervor, dass nur wenige „Heimweh“-Interessenten auch Nordkurier-Abonnenten werden wollten.
Im Allgemeinen stellte sich heraus, dass die meisten Menschen nur bereit sind, in ihrem tatsächlichen Wohngebiet für ein Nachrichtenabonnement zu bezahlen. Aus diesem Grund beschloss der Nordkurier, dass „Heimweh“ sich selbst tragen solle – und das funktioniert ganz gut.
„Wie wir festgestellt haben, gibt es in unserer Gegend einige relevante Einrichtungen, die sehr daran interessiert sind, mit diesen Menschen zu sprechen“, berichtet Drößler.
„Dabei handelt es sich zum Beispiel um Unternehmen, die hochqualifizierte Leute mit einem Universitätsabschluss suchen“, fährt er fort. „Daneben gibt es Immobilienagenturen, die ihre Häuser verkaufen oder vermieten wollen. Und eine wichtige staatliche Behörde, die sich bemüht, ehemalige Bewohner in die Region zurückzuholen.
Mit all diesen Akteuren haben wir gesprochen, und sie hielten den Newsletter für eine großartige Idee. ‚Wir haben keine andere Möglichkeit, diese Menschen zu erreichen, also bezahlen wir Euch dafür. Hier ist das Geld, macht den Newsletter‘, sagten sie.“
„Heimweh“ gewann auch einige regelmäßige Werbekunden, wie zum Beispiel ein regionales Krankenhaus, das Fachkräfte sucht.
Ein weiterer Inserent ist eine noch recht neue und große, bundesweite Stiftung, die ehrenamtliche Arbeit fördert und ebenfalls für die Veröffentlichung von Stellenanzeigen bezahlt.
Neue Produkte für Urlauber
Speziell für Touristen entwickelt der Nordkurier außerdem ein zweites Produkt, das einen Newsletter und einen eigenen Bereich auf der Nordkurier-Website umfasst.
Auch für diesen Newsletter fand ein interner Workshop statt, an dem aber nicht wie beim ersten Mal nur Redakteure beteiligt waren. Die Teams wurden erweitert, um sie interdisziplinärer zu gestalten. Neben Journalisten wurden dazu auch Leute aus der Tourismusabteilung, sowie aus den Bereichen Marketing und Produktmanagement eingeladen.
„Das war eine gute Entscheidung, denn jeder bringt eine andere Perspektive ein, die wir sonst nicht hätten“, sagt Drößler.
Während sich dieses Produkt festigt und „Heimweh“ sich weiterentwickelt, plant der Nordkurier weitere Experimente.
„Wir lernen immer weiter aus der Praxis, um den bestmöglichen Newsletter zu erstellen.“