Schwäbische Zeitung verhilft zum neuen Zuhause

Nachdem der deutsche Verlag Menschen, die sich für das Thema Wohnen interessieren, als vielversprechende Zielgruppe identifiziert hatte, nutzte er einen Persona-basierten Workshop-Prozess, um für seine Inhalte zum Thema Bauen und Wohnen ein neues Produkt, eine Website-Subdomain, zu entwickeln. Der Workshop-Ansatz zeigte, wie nutzerorientierte Methoden Nachrichtenverlage bei ihrer Produktentwicklung unterstützen können.

Das TSE-Team der Schwäbischen Zeitung hatte bei seinen Lesern ein großes Interesse an wohnungsbezogenen Themen festgestellt und dabei erkannt, dass es sich um ein Publikumssegment mit großem Potenzial handelte. Trotzdem erwies es sich als Herausforderung, ein Produkt zu entwickeln, das den Bedürfnissen dieser Zielgruppe entsprach.

Der Weg dorthin führte über eine Workshop-Methode mit Leser-Personas.

Vor dem Workshop erschuf Jennifer Schuler, Digital Transformation Manager bei der Schwäbischen Zeitung, auf der Grundlage von Umfragen und Interviews mit Lesern eine Reihe von Audience Personas. Durch die Verarbeitung von Informationen zur persönlichen Situation, allgemeinen Interessen, konkreten Wünschen an die Zeitung sowie echten Kommentaren verkörperten diese Personas die typischen Leser der Zeitung.

Ziel war es, die Personas so konkret und nachvollziehbar wie möglich zu gestalten. „Das ist wirklich nützlich, weil sie dem Workshop eine Orientierung verleihen. Alle Diskussionen konzentrieren sich auf ihre Bedürfnisse, auf das, was sie vom Verlag erwarten, und darauf, wie wir diese Bedürfnisse am besten erfüllen können“, erklärt Schuler.

Eine der Personas war zum Beispiel Simone, werdende Mutter von Zwillingen, die von einer Wohnung in ein Haus umziehen wollte, um Platz für ihre wachsende Familie zu schaffen und ihren Kindern zu ermöglichen, in der Natur aufzuwachsen.

10 Vertreter aus verschiedenen Abteilungen (Nachrichtenredaktion, Daten, Vertrieb, Wirtschaft, Marketing) trafen sich beim Workshop zu einem Meinungsaustausch.

„Es herrschte eine sehr kooperative Atmosphäre, die erheblich dazu beitrug, ein Verständnis für unterschiedliche Perspektiven zu schaffen“, rekapituliert Steffi Dobmeier, stellvertretende Chefredakteurin und Leiterin Digitale Inhalte und Strategie bei der Schwäbischen Zeitung. „Es gab viele Aha-Momente.“

Mein neues Zuhause – Subdomain zum Thema Wohnen

Schließlich einigten sich die Workshop-Teilnehmer darauf, auf der Website des Verlags eine neue Subdomain einzurichten. Auf der Seite „Mein neues Zuhause“ sollten Artikel rund um das Thema Bauen, Wohnen und Leben, unter anderem mit Informationen über neue Baugebiete und Hauspreise, zu finden sein.

Ein Grund für diese Entscheidung war, dass die Schwäbische Zeitung bereits relevante Inhalte zum Thema veröffentlichte und die Subdomain eine einfache Möglichkeit darstellte, diese an einem Ort zu bündeln und stärker in den Vordergrund zu rücken.

Technisch gesehen unterscheidet sich die Subdomain insofern von den anderen Rubriken auf der Website der SZ – wie Politik oder Kultur – als die Artikel nicht von vornherein auf dieser Seite veröffentlicht werden. Vielmehr gibt es alle wohnungsbezogenen Inhalte auch an anderer Stelle auf der Website, und die Subdomain-Seite sammelt lediglich alle Artikel, die bestimmte Stichworte zum Thema Wohnen enthalten.

Dobmeier erklärt, dass diese Lösung es dem Team ermöglichte, mit wenigen Ressourcen schnell voranzukommen, da die Erstellung eines völlig neuen Bereichs im CMS technisch zu schwierig und zeitaufwändig gewesen wäre. Die Subdomain wurde im Mai in Betrieb genommen. Anfangs mussten das Tagging und die Platzierung manuell vorgenommen werden, inzwischen ist dieser Prozess jedoch automatisiert.

Die Schwäbische Zeitung mit Sitz im süddeutschen Ravensburg hat kein eigenes Team, das sich speziell mit dem Thema Wohnen beschäftigt. Die Inhalte stammen meist aus den über Baden-Württemberg verteilten Lokalredaktionen der SZ sowie aus dem Wirtschaftsressort. Um die Menge an relevanten Inhalten zu erhöhen und die Redaktion für das Thema zu sensibilisieren, verband die SZ den Start der Subdomain mit einer Serie zum Thema Bauen und Wohnen in der Print-Zeitung.

Die Vorteile einer Außenseiterperspektive

Mit Blick auf den Workshop-Prozess weist Dobmeier darauf hin, wie wertvoll es war, dass die Leiterin des Workshops, Jennifer Schuler, selbst nicht aus der Nachrichtenbranche kam. Dass sie keinen journalistischen Hintergrund hatte und nicht an traditionelle Denkweisen über Journalismus gebunden war, erwies sich unerwartet als Vorteil bei der Entwicklung neuer journalistischer Produkte.

„Sie sagte zum Beispiel: ‚Warum dieser Inhalt? Wenn ich den nicht brauche, dann will ich den auch nicht lesen.’ So etwas ist manchmal schwer zu akzeptieren!“ erklärt Dobmeier. „Aber genau mit solchen Aussagen half sie uns, die Artikel durch die Brille des Nutzers zu sehen, und das war wirklich nützlich.“ Sie war es auch, die darauf bestand, die Subdomain „Mein neues Zuhause“ zu nennen, weil die Menschen zu dieser Bezeichnung einen emotionalen Bezug herstellen können, anstatt, wie in Redaktionen üblich, einen Namen zu wählen, der das Fachwissen betont.

Schuler, die früher in der Automobilindustrie tätig war, sagt, dass sich die Zeitungsverlage der Möglichkeiten durch die Digitalisierung zwar immer mehr bewusstwerden, es aber immer noch einen großen Nachholbedarf gibt.

„Viele Leute machen die gleichen Fehler wie andere Branchen zuvor, anstatt aus den Erfahrungen der anderen zu lernen“, sagt sie. „Sie denken nicht nutzerorientiert. Sie treffen Entscheidungen auf der Grundlage dessen, was die Nutzer ihrer Meinung nach interessiert, anstatt sie zu fragen, ob dies tatsächlich der Fall ist. Und das nicht nur einmal, sondern ständig.“

„Es gibt viele bewährte Praktiken und Erfahrungen anderer darin, wie man einen Dialog mit Kunden führt. Die Verleger sollten diese für sich nutzen.“

Es findet ein Umdenken statt, wenn auch langsam. Schuler erzählt, dass die Printausgabe der Schwäbischen Zeitung früher einmal pro Woche den Heizölpreis enthielt. Als dies abgeschafft wurde, schlug jemand in der Redaktion vor, ein digitales Produkt zu erstellen, das den Preis in Echtzeit anzeigt.

„Das war ein gutes Beispiel dafür, dass meine Kollegen angefangen haben, über die Bedürfnisse der Kunden nachzudenken und darüber, was wir digital tun können, um diese Bedürfnisse zu erfüllen.“

Auf dem Weg zu einer Kultur des Experimentierens

Dobmeier sagt heute, dass die Bauchentscheidung des Teams, sich auf das Thema Wohnen zu konzentrieren, goldrichtig war, und dass es ein deutliches Interesse an diesem Thema gibt. Beim Start der Subdomain im Mai betrafen die erfolgreichsten Beiträge auf der Website im Hinblick auf neue Abonnements allesamt das Thema Wohnen.

Der Besucherverkehr auf der Subdomain hat jedoch bis heute nicht das Niveau erreicht, das sich das Team erhofft hatte, so dass es nun über neue Wege zur Verbreitung dieser Inhalte nachdenkt.

„Die Daten zeigen, dass die Nutzer [der Subdomain] engagierte und für uns wirklich wertvolle Nutzer sind. Viele Leute nutzen auch generell die Inhalte, aber sie finden sie nicht unbedingt über die Subdomain“, bedauert Dobmeier.

„Ich denke, es war die richtige Zielgruppe, aber das Produkt ist noch ausbaufähig“, stellt sie fest und fügt hinzu, dass das Team nun erwägt, regionalspezifische Newsletters zu Themen rund ums Bauen und Wohnen zu starten. „Wir haben unsere Nutzer in den Prozess einbezogen und sie nach ihrem Feedback und ihren Vorlieben gefragt.“

Inzwischen hat sich die Methode des Persona-basierten Workshops auch bei anderen Projekten bewährt, zum Beispiel bei der Einführung eines Newsletters der SZ, der sich mit dem Thema Freizeit beschäftigt. Auch das Konzept der automatisierten Inhaltsauswahl hat sich durchgesetzt. Die vielleicht wichtigste Lehre, so Dobmeier, sei aber die Erkenntnis, dass die beste Methode etwas zu verändern einfach darin besteht, anzufangen – zügig und mit kleinen Schritten.

„Wer etwas verändern und unsere Arbeit digitalisieren will, muss sich darüber im Klaren sein, dass nicht jeder Schritt gleich in die richtige Richtung geht“, betont sie. „[Die Nachrichtenbranche] ist traditionell nicht besonders gut darin, aber ich denke, wir müssen an unserer Mentalität arbeiten, damit wir uns leichter tun, Dinge auszuprobieren. Und wenn etwas nicht funktioniert, dann muss es in Ordnung sein, damit aufzuhören oder Anpassungen vorzunehmen.“