TSE-Teilnehmerperspektive: Interview mit der Tiroler Tageszeitung

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Zum Zeitpunkt seiner Teilnahme an Table Stakes Europe hatte der österreichische Verlag bereits die strategische Entscheidung getroffen, sich auf digitale Abonnements zu konzentrieren. In diesem Jahr führte er eine Freemium-Paywall ein. In unserem Gespräch geht es darum, wie die TSE-Erfahrung dem Unternehmen geholfen hat, sein Publikum zu binden und die Zahl der digitalen Abonnements zu steigern.

Interview mit Matthias Krapf, Leiter Digitalservice, Moser Holding.

Wie sind Sie auf Table Stakes aufmerksam geworden?

Auf den Begriff und das Format ‘Table Stakes’ bin ich vor zwei Jahren aufmerksam geworden, bei einer Studienreise in die Vereinigten Staaten. Da hat das jemand – ich weiß gar nicht mehr wer – im Rahmen einer Präsentation erwähnt. Ich bin damals nicht richtig schlau daraus geworden, aber ich habe mir das notiert. Und dann ist letzten Sommer eine Einladung von WAN-IFRA für eine Vorstellung der zweiten Runde von Table Stakes Europe gekommen. Ich hatte im Hinterkopf, dass das irgendwie spannend ist, dass es nicht um große Worte oder die Strategie von 2028 geht, sondern sehr konkret und schnell zur Frage kommt, wie man seinen Journalismus und sein Geschäftsmodell so weiterentwickeln kann, dass es tragfähig ist.

Mit welcher Erwartungshaltung oder Hoffnung haben Sie sich zur Teilnahme entschieden?

Die Erwartung war, dass wir in einen Entwicklungsmodus kommen. Dass wir nicht das Gefühl haben, dass nur schöne Worte gesagt werden und wir dann vor der Frage stehen, ‘was machen wir jetzt damit?’ Sondern dass es das ganze Jahr vorwärts geht, und dass man einen unmittelbaren Nutzen für das eigene Unternehmen hat. Das hat sich als berechtigte Erwartung herausgestellt.

Mit wie vielen und welchen Kollegen haben Sie an Table Stakes teilgenommen?

Das Kernteam, in der Table Stakes-Terminologie die ‘Owner’ des Projekts, sind mit mir vier Personen. Das ist unser Generalsekretär mit den Schwerpunkten Legal und Business Strategie, dann einer meiner Mitarbeiter, der sehr erfahren ist im Projektmanagement und viel macht im Bereich Product, und einer unserer Chefreporter als Vertreter des Newsrooms.

Das ist das Kernteam, das immer den Kontakt zu Table Stakes und zu den Coaches hält. Davon ausgehend haben wir begonnen, möglichst viele Leute an Bord zu holen. Nicht alle sind direkt im Table-Stakes-Projekt involviert, aber wir binden sie im Sinne der Methodologie oder der Philosophie von Table Stakes ein – Leute aus der Redaktion, aus dem Vertrieb oder technische Mitarbeiter.

An ihrer TSE-Runde haben insgesamt 24 Verlage teilgenommen, darunter deutsche Titel, französische Zeitungen oder englischsprachige. War der Austausch mit allen gleich fruchtbar? Oder haben Sie von bestimmten Kontakten besonders profitiert?

Man hat sicher nicht zu allen Medien den gleichen Bezug. Aber ich will auch nicht sagen, dass für ein österreichisches Medienhaus nur der deutschsprachige Markt interessant ist. Es ist eher eine Frage, ob das andere Medienhaus sich in einer ähnlichen Phase befindet oder die gleichen Fragestellungen bearbeitet. Wir haben zum Beispiel einen sehr fruchtbaren Austausch mit dem Nordkurier aus Mecklenburg gehabt, aber uns auch mit einer sehr kleinen französischsprachigen Tageszeitung aus der Schweiz unterhalten. Wir hatten sogar ein Online-Meeting mit einer schottischen Zeitung, die eigentlich Teilnehmer des vorjährigen Programms war. Das hat unser Coach vermittelt.

Wenn Sie sagen, dass es besonders lohnend ist, sich mit anderen Zeitungen auszutauschen, die in einer ähnlichen Phase sind oder die gleichen Fragestellungen bearbeiten: in welcher Phase war denn die Tiroler Tageszeitung, als sie sich entschieden hat, an Table Stakes teilzunehmen?

Was uns bei Table Stakes sehr geholfen hat, das war, dass die grundsätzliche Entscheidung auf das Thema Digital Subscriptions zu setzen, schon gefallen war. Wir mussten also im Haus nicht erst Werbung dafür machen, dass es sinnvoll wäre, sich in diese Richtung zu orientieren. Das Bewusstsein dafür war schon da, und damit sind wir mit viel Schwung in dieses Projekt gestartet.

Der konkrete Stand im September letzten Jahres, zu Beginn der aktuellen Runde von Table Stakes, war, dass wir noch keine Paywall hatten. Wir hatten nur eine relativ komplizierte Log-Wall. Man musste sich registrieren, um bestimmte Artikel lesen zu können. Jetzt, seit 1. März, haben wir ein Freemium-Modell. Ein großer Teil der Artikel ist frei, aber ein beträchtlicher Teil ist auch hinter der Paywall. Das sind tt.com plus-Artikel. Um diese lesen zu können, braucht man mindestens unser tt.com-plus Abo um 4,90 € monatlich, also ein sehr günstiger Preis, den wir im Rahmen von Table Stakes durchaus auch diskutiert haben. Damit haben wir seit dem 1. März rund 1.500 Abonnenten gewonnen, alles wirklich erstmals bezahlende User. Diese Zahl wollen wir bis Ende des Jahres mindestens verdoppeln.

Und von der Paywall abgesehen, was waren die Projekte, die Sie im Rahmen von Table Stakes in Angriff genommen haben?

Das ist gar nicht so leicht zu sagen. Denn viele Projekte haben wir vielleicht nicht wegen Table Stakes gestartet, aber sie wurden durch Table Stakes stark beeinflusst. Wir haben begonnen, den Mini-Publisher-Ansatz zu leben, also die Idee, cross-funktionale, interdisziplinäre Teams zu bilden, die eine Art von Verleger-Verantwortung übernehmen. Bei unserem Newsletter TT am Morgen, der nicht gratis ist, sondern nur an bezahlende Abonnenten versendet wird, haben wir den Mini-Publisher-Gedanken von Anfang an zum Tragen kommen lassen. Das war ein Projekt, das wir schon vor Table Stakes vor Augen hatten, das wir aber im Rahmen von Table Stakes umgesetzt haben. Und das mit mittlerweile knapp 10.000 Beziehern sehr erfolgreich ist.

Vielleicht können Sie an diesem Beispiel einmal deutlich machen, was konkret 'Mini-Publisher' bedeutet?

Dazu vielleicht eine Vorbemerkung. Es gibt ja das absolut notwendige und sinnvolle Prinzip der strikten Trennung von Anzeigenverkauf und Redaktion. Wenn man aber Mitarbeiter der Redaktion, aus der Technik und dem Vertrieb zusammenbringt und ihnen den Auftrag gibt, ‘macht das beste Produkt für unsere Leser’, dann ist das sinnvoll. Dann gibt es keinen Zielkonflikt. Genau das ist mit ‘Mini-Publisher’ gemeint. Dass man ein inhaltliches Angebot wie einen Newsletter als ein Produkt versteht und auch betreibt und gemeinschaftlich voranbringt. Der Mini-Publisher ist auch keine Person, sondern ein Team, das möglichst autonom und eigeninitiativ arbeiten soll.

Was ist für Sie bei Table Stakes noch von besonderer Bedeutung?

Mir liegt das Konzept der ‚Audiences‘ noch sehr am Herzen. Das ist etwas, was Doug Smith sehr stark propagiert. Es geht darum, sich bewusst zu machen, dass man als Zeitung heute – egal ob Online oder Print – nicht einfach für eine riesige Masse, in unserem Fall alle Tiroler, eine Zeitung macht, sondern dass es sehr spezielle Zielgruppen gibt. Zum Beispiel Outdoorbegeisterte, die gerne unsere Touren-Tipps lesen. Oder Leute, die sich für einen bestimmten Fußballverein begeistern. Leute, die gerne kochen. Oder junge Eltern.

Es ist ein zentraler Punkt, sich bei seinen Angeboten zu fragen, ‘Für wen machen wir das eigentlich? Und wie können wir die oder den so gut wie möglich bedienen’. Da kommt man dann zwar schnell auf den Mini-Publisher-Ansatz zurück. Aber für mich ist das ein ganz zentraler Punkt von Table Stakes.

Welche Audiences haben Sie denn für sich entdeckt?

Auch wenn wir schon vor Table Stakes natürlich auch über Kulinarik und Kochen berichtet haben, nun haben wir zum Beispiel einen eigenen Newsletter für Leute, die gerne selber kochen. Der heißt ‘Gaumenfreuden’. Das ist ein wöchentliches Newsletterformat, wo wir versuchen, eine gewisse Inspiration zu liefern, eine gewisse Community aufzubauen. Es ist eine Herausforderung, sich aus der Masse der Kochrezpte im Internet abzuheben. Wir machen das, indem wir Blogger oder Köche aus der Region Tirol zu Wort kommen lassen. Wir verschicken nicht einfach drei Rezepte, sondern wir versuchen interessante Menschen aus der Region mit einzubinden.

Der, an der Anzahl der neugewonnenen Abos gemessen, erfolgreichste Artikel der Tiroler Tageszeitung war ein Dialektquiz. Ist das eine Zufallsentdeckung? Oder war die Idee zu diesem Quiz ein Tipp aus dem Table Stakes-Projekt?

Auch hier haben wir schon vor Table Stakes mit Quizzen experimentiert. Wir haben das ja auch ganz sicher nicht erfunden. Bei einem Besuch bei der NZZ vor Jahren haben die uns schon erzählt, wie viel Erfolg sie damit haben.

Unsere Quizze waren zunächst hart programmiert. Im Rahmen von Table Stakes haben wir ein kleines Content Management-System hinterlegt, über das die Redaktion Quizze selbstständig erstellen kann.

Table Stakes hat uns geholfen, dabei den MVP-Gedanken zu verfolgen, also schnell auszuprobieren und nicht alles endlos bis ins letzte Detail durchzuplanen. So haben wir jetzt ein Tool, das intensiv genutzt wird.

Die aktuelle Table Stakes-Runde läuft ja noch. Aber haben Sie vielleicht trotzdem schon ein Learning oder Fazit, das sie daraus ziehen können?

Wichtig ist, dass man eine gewisse Hartnäckigkeit entwickelt, wenn man auf Digitalabos setzt. Es ist schön, wenn man Ziele, die man sich gesetzt hat, auch erreicht. Aber das ist kein Abschluss. Es geht immer weiter. Erst recht, wenn man an das Thema ‘Churn’ denkt, muss man bereit sein, immer weiter zu lernen, sich immer weiter zu verbessern.

Ich glaube nicht an Selbstläufer. Wir haben schöne Erfolge gehabt, zum Beispiel unseren Newsletter TT am Morgen. Der ist super angekommen, wir haben dazu extrem positive Rückmeldungen erhalten. Aber darauf darf man sich nicht ausruhen. Man muss immer wieder schauen, wo man sich noch verbessern kann. Und das muss institutionalisiert werden, damit man nicht nur alle drei Monate einmal überlegt, was man besser machen kann, sondern fortlaufend. Das ist eine Herausforderung für die ganze Organisation.

Mein Lieblingsappell im Rahmen von Table Stakes lautet 'Stop doing things'. Womit haben Sie aufgehört?

Da muss ich ganz ehrlich sein. Im Rahmen von Table Stakes haben wir vieles besser gemacht als das ‘Stop doing’. Aber was wir sicher geschafft haben, ist damit aufzuhören, sich zu sehr im Detail zu verlieren, jeden Edge-Case mitzudenken, also zum Beispiel die Frage zu stellen, was passiert, wenn User XY auf einem 17 Jahre alten Handy gleich hinter der Grenze in Kiefersfelden unser Angebot aufruft. Diese ganz speziellen Fälle, die einen nur von den wirklich wichtigen Dingen abhalten, das haben wir heute besser im Griff und sind durch Table Stakes darin bestärkt worden, nicht alles perfekt machen zu wollen.