Radikaler Umbau der Redaktion von Karjalainen mit Fokus auf Audiences

Die finnische Lokalzeitung hat ihre gesamte Redaktion anhand der Erfahrungen aus erfolgreichen Audience-orientierten Experimenten umgestaltet. Das Hauptziel: neue, jüngere Digital-Abonnenten besser anzusprechen. „Alles, was wir tagtäglich tun, sollte letztlich der Erreichung unserer Ziele dienen. Wir haben versucht, eine Struktur aufzubauen, die uns keine andere Wahl lässt“, so Jyrki Utriainen, Managing Editor von Karjalainen.


Karjalainen ist eine 1874 gegründete Regionalzeitung mit Sitz in Joensuu, der Hauptstadt von Nordkarelien, einer Region im Osten Finnlands mit 160.000 Einwohnern.
Im Jahr 2021 hat der Verlag eine umfassende Umstrukturierung vorgenommen, die den rund 40 Journalisten ermöglicht hat, „Digital-First“-Arbeitsabläufe einzurichten. Als Karjalainen Anfang 2023 zu Table Stakes Europe stieß, betrug die Gesamtauflage 24.000 Exemplare, wovon 6.000 reine Digital-Abonnenten waren.


Karjalainen startete seine TSE-Journey mit Experimenten, die auf zwei spezifische Audiences – junge Familien und Naturliebhaber – im Verlagsgebiet in Ostfinnland ausgerichtet waren.

Diese frühen Pilotprojekte waren zwar von eher begrenztem Umfang, die Ergebnisse konnten sich jedoch sehen lassen: Karjalainen hatte bereits vor TSE Anstrengungen unternommen, um die Zahl der Digitalabos zu erhöhen, aber diese neuen Audience-orientierten Projekte trugen dazu bei, den Aufwärtstrend noch weiter zu beschleunigen: Die Zahl der Digitalabos der Zeitung stieg zwischen Januar und September 2023 von 6.000 auf 7.400 – ein Zuwachs von 23 %.

Noch wichtiger ist vielleicht, dass mehr als die Hälfte der neuen Online-Abonnenten unter 55 Jahre alt war.

Für ein Unternehmen mit dem strategischen Ziel, die Zahl der Digitalabos zu erhöhen, insbesondere in jüngeren Zielgruppen, zeigten diese Audience-orientierten Experimente eindeutig in die richtige Richtung. Der Verlag beschloss daraufhin, diese Pilotprojekte als Ausgangspunkt für eine umfassende Umgestaltung der gesamten Redaktion zu nutzen.

„Mit unserer neuen Organisation stellen wir sicher, dass die Redaktion im „Audiences-First“-Modus arbeitet und dass unsere Inhalte mit der Strategie übereinstimmen, spezifische Audiences zu erreichen“, sagt Anna Suoniemi, News-Managerin bei Karjalainen.

Da die Redaktion des Lokalverlags relativ klein ist (rund 40 Mitarbeiter), ist es von entscheidender Bedeutung, dass das gesamte Redaktionsteam an einem Strang zieht und in dieselbe Richtung arbeitet, fügt Jyrki Utriainen, hinzu: „Alles, was wir tagtäglich tun, sollte letztlich der Erreichung unserer Ziele dienen. Wir haben versucht, eine Struktur aufzubauen, die uns keine andere Wahl lässt.“

Die Umstrukturierung baut auf einem früheren Umbau im Jahr 2021 auf, mit dem Karjalainen einen großen Schritt in Richtung „Digital-First“-Arbeitsabläufe gemacht hat. Nun sollte der Wandel noch weiter vorangetrieben werden: vom „Web-First“- zum „Audiences-First“-Journalismus.

Gesamte Redaktion auf spezifische, jüngere Audiences ausgerichtet

Die neue Struktur mag auf den ersten Blick nicht außergewöhnlich erscheinen, doch im Detail stellt sie eine tiefgreifende Veränderung des üblichen Redaktionsmodells dar.

Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass alle Ressorts jetzt eine Liste spezifischer Audiences haben, die sie mit ihren Inhalten zu erreichen versuchen.

Das Team für Gesundheit und Wellness konzentriert sich zum Beispiel auf Ziel-Audiences wie Menschen, die sich für Beziehungen interessieren, Beauty-Liebhaber, Familien mit Kleinkindern und Personen mit Interesse an geistigem und beruflichem Wohlbefinden.

Als es um die Auswahl der spezifischen Zielgruppen für die verschiedenen Ressorts ging, hat Karjalainen eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen: Nur Personen unter 50 Jahren sollten angesprochen werden.

„Obwohl wir mit unseren Inhalten nicht speziell auf Menschen über 50 abzielen, wissen wir, dass sie sich trotzdem dafür interessieren werden. Wir wissen zum Beispiel, dass sich viele über 50-Jährige für Naturliebhaber-Content interessieren. Aber wir konzentrieren uns voll und ganz auf die Audiences der unter 50-Jährigen“, so Anna Suoniemi.

Mit der neuen Struktur sollen auch die Hierarchien in der Redaktion aufgebrochen werden. Von den Teams wird erwartet, dass sie eigenverantwortlich arbeiten, wobei jedes von ihnen seine eigenen punktgenauen Ziele verfolgt, wie z. B. die Zahl der veröffentlichten Artikel, der Zugriffe auf ihre Inhalte und der entsprechenden Aboabschlüsse.

Die autonomere Arbeitsweise der Ressorts hatte auch Auswirkungen auf die Rolle des News Managers, der die Teams beaufsichtigt und die Content-Produktion in der gesamten Redaktion koordiniert. Jedes Team ist für die Einhaltung eines allgemeinen Content-Plans verantwortlich – eine einfache Tabelle, in der der Zeitpunkt der Veröffentlichung, die zugewiesenen Journalisten, die Länge des Beitrags (S, M, L, XL) und mögliche Multimedia-Elemente erfasst sind.

Was aus der Redaktionstabelle nicht unbedingt hervorgeht, ist, wie Karjalainens tägliche Print-Ausgabe produziert wird. Die Redaktion arbeitet Digital-First und stellt den ganzen Tag über Inhalte online. Ein spezielles Print-Team übernimmt dann die digitalen Inhalte und erstellt daraus die Print-Zeitung. Die Redaktion veröffentlicht täglich etwa 30 Online-Artikel, von denen 80 bis 90 % in die Print-Ausgabe gelangen.

Interne Kommunikation als Schlüssel, um Menschen ins Boot zu holen

Eine so umfassende Umstrukturierung ging natürlich mit Änderungen der Aufgaben einiger Personen einher – und diese Diskussionen sind nicht immer einfach. Im Fall von Karjalainen wurden die Mitarbeiter frühzeitig über die Umstrukturierung informiert und auf dem Laufenden gehalten. Sie hatten also Zeit, sich an die Veränderungen zu gewöhnen und nachzuvollziehen, warum sie notwendig waren.

Obwohl eine klare Kommunikation sehr hilfreich war, gestalteten sich einige Gespräche dennoch „etwas schwierig“, so Jyrki Utriainen. „Ich denke jedoch, dass die Leute vor allem von den neuen Teams und dem ‚Audiences-First‘-Denken begeistert sind“, fügt er hinzu.

Die ersten Audience-orientierten Experimente (mit jungen Familien und Naturliebhabern) waren ebenfalls hilfreich, da das TSE-Team bei Fragen und Zweifeln aus der Redaktion auf die positiven Ergebnisse verweisen konnte. Und auch die vielversprechenden Erfahrungen, die die europäischen TSE-Kollegen mit „Audiences-First“-Ansätzen gemacht hatten, waren sehr ermutigend.

Es mag überraschen, dass Karjalainen sich dazu entschieden hat, die Umstrukturierung der Redaktion nicht gegenüber den Lesen zu kommunizieren. „Wir waren der Ansicht, dass es ihnen mehr um unsere Inhalte als um unsere Organisation geht“, so Jyrki Utriainen.

Anna Suoniemi betont, wie wichtig es für den Verlag ist, bei der laufenden Transformation das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren – und das, was die Veränderung überhaupt erst angestoßen hat. „Wir waren schon immer sehr unzufrieden, wenn es Verschlechterungen für unsere traditionelle Leserschaft gab, z. B. wenn wir die Seitenzahl reduzieren mussten oder es Probleme mit der Auslieferung des Druckpapiers gab“, so Anna Suoniemi.

„Wir sollten aber eher darüber unzufrieden sein, dass es so wenige Menschen unter 40 gibt, die uns in irgendeiner Form abonnieren. Sorgen wir uns also zur Abwechslung einmal um sie, anstatt uns so sehr um die traditionellen Zielgruppen zu sorgen.“