Ringier Ungarn: Wie Inhalte rund ums Auto den Innovationsgeist der Redaktion beflügelten

Der ungarische Verlag, der sein Markenimage auffrischen und mehr männliche Leser ansprechen wollte, nutzte die Teilnahme an Table Stakes Europe, um an neuen Arten von Automotive-Inhalten zu arbeiten – insbesondere im Bereich Service- und Erklärjournalismus. Dank des Erfolgs auf diesem Gebiet konnten in der Redaktion weitere Experimente angestoßen werden. Die Palette reicht von anderen Audience-Schwerpunkten wie Wein und Technik bis hin zu einem Pilotprojekt zur Monetarisierung von Inhalten.


Ringier Hungary – Teil des Schweizer Medienkonglomerats Ringier AG – verfügt über eine Vielzahl von Medienmarken auf dem ungarischen Markt, allen voran Blikk, die mit 512.000 Lesern meistgelesene Tageszeitung des Landes, und ihr digitales Pendant Blikk.hu. Zu den weiteren Marken des Unternehmens gehören Unterhaltungs- und Frauenmagazine sowie eine bekannte Website für Stellenanzeigen.


Ringier Ungarn stand vor einer in der Nachrichtenbranche seltenen Herausforderung: einem überproportional geringen Anteil an männlichen Lesern. Während viele Medienhäuser Mühe haben, Frauen anzusprechen, hat das reichweitenstarke Ringier-Produkt Blikk mit seinen auf Promis und Klatsch fokussierten Inhalten eine stark weibliche Audience angezogen. Probleme hatte der Verlag dagegen mit seinem Image in Sachen Glaubwürdigkeit.

Das TSE-Team von Ringier hat sich vorgenommen, an beidem zu arbeiten. Einerseits wollten sie den Anteil der männlichen Leser erhöhen, um ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis herzustellen. Andererseits – und das ist noch wichtiger – wollten sie ihrer Marke ein ernsthaftes Facelifting verpassen: von Clickbait-lastigen und eher sensationsheischenden Inhalten hin zu nutzenorientiertem Content.

Die Aufgabe bestand darin, als aktuelle Nummer 1 auf dem ungarischen Nachrichtenmarkt weiter zu wachsen. Das Verlagsteam setzte auf neue Lesergruppen bei gleichzeitiger Steigerung der Qualität der Inhalte, um neues Wachstumspotenzial zu erschließen.

Bei der Ausarbeitung einer Strategie zur Erreichung dieser Ziele hat das Team zunächst über geeignete Ziel-Audiences nachgedacht. Die Konzentration auf Auto-, Technik- und Wein-Content sollte vor allem Männer ansprechen, so die Überlegung. Aber würde es auch für die Marke funktionieren?

Neue Formate für Kfz-Inhalte machen sich bezahlt

Das Team unter der Leitung von Chief Digital Officer Zsuzsa Kekesi und dem stellvertretenden Chefredakteur von Blikk, Gabor Tibay, nahm die Arbeit mit der Redaktion auf. Ganz im Geiste von Table Stakes, also Testen und Experimentieren, sollten in allen drei Bereichen mehr Inhalte erstellt werden. Zwischen 80 und 100 Beiträge pro Woche sollten genügen, dachte das Team. Es wurde ein Redakteur eingestellt und eine Lizenzvereinbarung für digitalen Content der Auto Bild mit dem Axel Springer Verlag geschlossen (Axel Springer Deutschland ist ein ehemaliger JV-Partner von Ringier Schweiz), um eine kritische Masse an Kfz-Inhalten zu generieren.

Erste Erfolge stellten sich bald ein, vor allem bei den Automotive-Inhalten. Das Team war jedoch nicht ganz zufrieden. Aufmerksamkeitsstarke Inhalte wie spektakuläre Autounfälle brachten zwar Klicks, schwächten aber gleichzeitig den Markenwert. So lautete die Schlussfolgerung. Der Redaktion wurde nahegelegt, auf sensationsheischende Inhalte zu verzichten und sich auf Service- und Erklär-Content bzw. mäßig emotionale Inhalte zu konzentrieren.

Ein großer Erfolg wurde erzielt, als die Automarke Opel ihr traditionelles Logo ablegte. Die Meldung kam als einfache Pressemitteilung herein, aber ein Kollege verfasste eine spannende Story über die Geschichte von Autologos, die bei vielen Nutzern nostalgische Gefühle weckte, die sich wehmütig an ihre ersten oder längst ausrangierten Autos erinnerten.

Um auch das Interesse der Frauen wach zu halten, wurden Geschichten mit Tipps für Autoreparaturen veröffentlicht. Diese sollen Kundinnen und Kunden davor bewahren, sich in der Werkstatt zu blamieren. Innerhalb von nur drei Monaten entwickelten sich die Kfz-Inhalte zu einer der wichtigsten Rubriken von Blikk und generierten 150.000 Seitenaufrufe pro Woche.

Experimente mit anderen Audiences und Monetarisierung

Das Team versuchte, die Erfolgsgeschichte mit anderen Audiences zu wiederholen, konkret mit technikinteressierten Menschen und Weinliebhabern. Sie merkten jedoch bald, dass jede Audience auf jeweils eigene Art und Weise angesprochen werden muss. Zuweilen waren andere Geschäftsmodelle gefragt. Wein beispielsweise eignete sich eher als Thema für Werbe- und E-Commerce-Maßnahmen als für aufmerksamkeitsstarken Journalismus.

Erfreulicherweise inspirierten die Ergebnisse des Programms andere in der Redaktion zu eigenen Experimenten. Ein Videostudio wurde geplant, und es wurden Mini-Publisher-Teams eingerichtet, um die Film- und True-Crime-Fans anzusprechen.

Ein entscheidender Moment war, als ein Kollege, der in der Vergangenheit allem Digitalen gegenüber eher skeptisch eingestellt war, zum Team stieß. Er bat ausdrücklich, in das Team für Filmempfehlungen aufgenommen zu werden. Manchmal hilft die Festlegung von Audiences den Redaktionen, verborgene Schätze ans Tageslicht zu bringen.

Table Stakes hat viele Kräfte freigesetzt, um die Marke Blikk auf der Grundlage des Versprechens von kurzen Erklärungen und Nützlichkeit umzugestalten. Interne Kommunikation und datengestützte Entscheidungsfindung sind aus dem Alltag der Teams zunehmend nicht mehr wegzudenken.

Die Begeisterung innerhalb des Medienhauses reichte sogar so weit, dass ein Experiment mit kostenpflichtigen Inhalten gestartet wurde. Ein neuer Weg in einem Unternehmen mit Digitalgeschäft, das sich bis dahin ganz auf die Reichweite konzentriert hatte. Das Team kam zu dem Schluss, dass aus all den loyalen Nutzerinnen im Funnel noch mehr herauszuholen sei.

Während sich die Männer mittlerweile mit den Marken von Ringier anfreunden, ist es für die Frauen an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun: Sie müssen sich jetzt registrieren und für einige der Angebote sogar bezahlen.