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Konsolidierung im Zeitungsdruck: Expertenrunde diskutierte detailliert das Warum und Wie

2023-11-28. Zu Beginn des zweiten Veranstaltungstages (12. Oktober 2023) vom World Printers Forum in Frankfurt am Main fand – speziell für den DACH-Raum – eine Diskussionsrunde zum Thema „Konsolidierung im Zeitungsdruck“ in deutscher Sprache statt.

Comment by Almut Reichart from the German Federal Environmental Agency at the DACH session on "Consolidation in Newspaper Printing" during WPS 2023.

by Michael Spinner-Just michael.spinnerjust@wan-ifra.org | November 28, 2023

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Die hochkarätige Expertenrunde der gut besuchten Veranstaltung bildeten: Jürgen Schulze, Leiter Verkaufsservice und Produktionssteuerung bei der Süddeutschen Zeitung; Christian Siebert, Verleger des Hamburger Abendblatts (Funke Mediengruppe), und Christian Wilms, Geschäftsführer Druck bei Styria in Graz. Moderator war Andreas Gierth, Leiter der Abteilung Produktion und strategische Beschaffung bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie Mitglied des World Printers Forum Board.

Das Thema „Konsolidierung im Zeitungsdruck“ – besonders die Schließung von Druckereien – nimmt in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Raum) immer mehr an Fahrt auf und wirkt sich erheblich auf die Produktion und Wirtschaftlichkeit von Print-Zeitungen aus.

Nach seiner Begrüßung nannte Andreas Gierth kurz die für alle in der Druckbranche gleichen Herausforderungen: Papierpreis, Mindestlohn bzw. -steigerung und Rückgang der Print-Auflagen – aber bisher noch kein Digital-Geschäftsmodell, das Print ersetzen kann.

Für die F.A.Z. sprach er von 70 % der Einnahmen aus Print und 30 % aus Digital. Auch wenn der Digital-Anteil steigt, wird Print noch benötigt, um die Ausgaben zu finanzieren.

Danach eröffnete er die Beiträge zum Thema „Konsolidierung“:

Verschiedene Wege der Konsolidierung – auch eine Frage des Papierformats

Christian Siebert (Hamburger Abendblatt) sieht als Grundlage für Konsolidierung die hohe Auslastung eines Standorts, um Kosten zu senken bzw. günstiger zu verteilen.

Er würde grundsätzlich nicht „nie“ sagen zu möglichen weiteren Investitionen in eine Druckerei, dann sei aber nicht nur der Druck zu betrachten, sondern auch der Transport bzw. die „letzte Meile“. Szenarien mit verschiedenen Druckverfahren (digital von der Rolle) könnten hierbei von Bedeutung sein.

Christian Wilms bestätigte, dass „das Gespenst Konsolidierung“ auch in Österreich ein Thema ist.

Styria wurde als reine Verlagsdruckerei und Dienstleister für die eigenen Styria-Medien gegründet. Die Investitionen in neue Technik 2017/18 wurden aber auch im Hinblick auf externe Kunden getroffen, da die eigenen Auflagen zurückgehen:
– früher: 70 % intern und 30 % extern sowie
– heute: 40 % intern und 60 % extern.

Der Druck findet an zwei Standorten (in Graz und Kärnten) in jeweils drei Schichten und mit einer hohen Auslastung von rund 70/75 % statt.

Styria sieht daher die Chance, nicht Opfer der Konsolidierung zu werden, sondern eher davon zu profitieren.

Bevor Jürgen Schulze seine Stellungnahme für den Süddeutschen Verlag vortrug, erwähnte Gierth vorab, dass die F.A.Z. seit 2014 auch in München gedruckt wird und man „sehr zufrieden“ ist.

Schulze: Konsolidierung ist seit rund 20 Jahren ein Thema in der Branche: Nach Konsolidierung auf Verlagsebene, in der Redaktion, beim Inhalt und in der Druckvorstufe wird nun aus wirtschaftlichen Gründen versucht, diese auch in der Druckerei umzusetzen: Manche Verlage/Druckereien verschwinden ganz vom Markt, manche drucken nicht mehr selbst oder schließen sich mit anderen zusammen.

Für überregionale Zeitungen, wie die F.A.Z. und die SZ, bedeutet dies, dass durch Konsolidierung bei regionalen Druckereien immer weniger externe Druckorte und damit immer weniger Druckkapazitäten deutschlandweit für sie zur Verfügung stehen:
Andruck- bzw. Anlieferzeiten müssen vorverlegt werden und somit auch die Redaktionsschlüsse, was wiederum auf Kosten der Aktualität geht. Dies erfordert dann zum Teil andere Vertriebslösungen wie Digital-Konzepte oder Postzustellung.

Produktionsänderungen bei Regionalzeitungen wirken sich also direkt auch auf überregionale Titel aus.

Gierth fügte folgendes Beispiel an: Die F.A.Z. stellt deutschlandweit ihre Abonnentenexemplare mit 140 Partnerverlagen zu, nur im Rhein-Main-Gebiet wird zusammen mit der Ippen-Gruppe ausgeliefert.

Aufgrund von weniger bzw. anderen Anlieferorten bei den Geschäftspartnern innerhalb dieses Jahres war die F.A.Z. gezwungen, ab 1. Juli die „heilige Kuh Andruck“ von 18 (letzte Seite um 17:30 Uhr) auf 16:30 (Redaktionsschluss 16 Uhr) vorzuverlegen.

Dies hat erheblichen Einfluss beispielsweise auf die aktuelle Korrespondentenberichterstattung aus den USA. Außerdem betrifft der frühere Andruck nun auch 9.000 Abonnentenexemplare, die nun früher angeliefert werden müssen.

Umfragen und Erfahrungen haben ergeben, dass diese Print-Abonnenten nicht auf ihre gedruckte Ausgabe verzichten möchten, was die F.A.Z. natürlich freut.
Bei einer Zwangsumstellung von Print auf Digital würden zwei Drittel der Abonnenten sofort kündigen; ein Drittel würde Digital akzeptieren, dann aber 50 % davon nach etwa einem halben Jahr kündigen, was insgesamt über 80 % an Kündigungen entsprechen würde.

Dr. Bertram Stausberg merkte aus dem Publikum an: Axel Springer geht offen damit um, dass die Print-Erlöse schneller fallen als bei anderen Unternehmen und die Digital-Erlöse deutlich über den o.g. 30 % liegen.

Nichtdestotrotz benötigt Springer weiterhin den Print-Kanal und setzt die Konsolidierung im Druckbereich intern wie folgt um:
In den letzten zehn Jahre wurden die Druckorte für „Bild“ von maximal zwölf auf fünf reduziert bzw. nach der Schließung von Ahrensburg nächstes Jahr werden es dann nur noch vier sein (zwei eigene und zwei fremde).

Ein Aspekt wurde bisher nicht genannt: der Unterschied zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern. Im Benelux-Raum beispielsweise findet die Konsolidierung in nur einem Zeitungsformat statt, in Deutschland in drei. In dieser Phase der „Segment-Konsolidierung“ konsolidiert sich jedes Format für sich.

Es gibt natürlich für jeden Verleger gute Argumente, bei seinem Format zu bleiben, was die Situation in Deutschland anspruchsvoller als in den Nachbarländern macht.

Als Schlüssel für die Konsolidierung hält er die Erhöhung der Auslastung der einzelnen Druckorte, wobei man aber hier bei den einzelnen Format-Segmenten an Grenzen kommt.

Außerdem sieht er es daher als eine Gemeinschaftsaufgabe aller Print-Partner an, gemeinsam wirtschaftliche, d. h. besser ausgelastete, Einheiten zu finden.

Gierth ergänzte: Die F.A.Z. druckt im Norddeutschen Format und orientiert sich bei ihre Umfängen an den Vorgaben für die Texte (Strukturvereinbarung, die der Redaktion ein Mindestmaß an Inhalt garantiert, der druck-/bahnenoptimiert ist) und weniger an den Anzeigen. Sind dies mehr, würde der Umfang erhöht werden. Eine Formatumstellung würde daher zu mehr Seiten in einem kleineren Format führen.

Der Digitaldruck als Lösung?

Gierth stellte die Frage, warum der Digitaldruck als Alternative zum Offsetdruck in Deutschland so wenig verbreitet ist bzw. sich so kompliziert darstellt.

Die F.A.Z. lässt beispielsweise Teilauflagen von zirka 2.000 Exemplaren in Italien (bei Mailand und in Rom) im Digitaldruck (von der Rolle mit entsprechender Weiterverarbeitung) in ausreichender Qualität und zu günstigen Konditionen drucken.

Jochen Schwab von Koenig & Bauer meldete sich aus der Runde zu Wort: Koenig & Bauer hat auf der drupa 2012 die RotaJet als erste Digitaldruckmaschine vorgestellt. Danach folgten verschiedene Pilot-Projekte mit Demo-Maschinen sowie weitere Digitaldruckansätze, die sich wirtschaftlich aber nicht rechneten. In Europa und in den USA soll es kleine Digitaldrucker geben, die Kleinauflagen beispielsweise für Touristen drucken.

Größtes technisches Problem beim Digitaldruck ist die Weiterverarbeitung: Um eine Maschine mit anderen Produkten als Zeitungen auslasten zu können, benötigt diese unterschiedliche Weiterverarbeitungssysteme (zum Beispiel für die Buchproduktion).

Wirtschaftlich bedeutet Digitaldruck derzeit eine hohe Investition bei geringer Auslastung und begrenztem Potential im Markt.

Auch Mischlösungen mit dem größeren Innenteil im Offset und dem kleineren aktuellen Mantelteil digital sowie personalisierter Zustellung scheitern oft an der „letzten Meile“ im Vertrieb.

Eine Lösung für Deutschland könnten daher einige wenige Digitaldruckstandorte landesweit verteilt sein, welche die angelieferten Offsetprodukte einstecken und dann die Auslieferung des vollständigen Endproduktes übernehmen.

Thomas Kurz von Fujifilm Europe, ebenfalls ein Teilnehmer der Veranstaltung, erklärte: Fujifilm entschied sich 2019, weiter in das Segment Zeitung zu investieren, aber auch Veränderungen vorzunehmen. Im gleichen Jahr stellte Fujifilm bereits Konsolidierungen im Markt fest: weniger Kunden, dafür aber größere – und welche Anforderungen hat dieser größere Kunde?

Drei Standbeine wurden hierfür für den Kunden festgelegt: mehr Automatisierung, mehr Effizienz, mehr innovative Produkte.

Um für den Kunden neue Zielgruppen und neue Abonnenten generieren zu können, bot sich der Digitaldruck an. Fujifilm hat daher in Unternehmen (auch Maschinenbau) investiert, um ganzheitliche Lösungen im Inkjet-Druck anzubieten: Roll-to-Roll, Imprinting-Bars (für individuelles Eindrucken bei laufenden Seiten) und weitere Lösungen.

Kurz wunderte sich, dass Kunden so wenig nach einer attraktiveren Gestaltung ihrer Produkte fragen. Die Kosten pro Seite im Offset- und im Digitaldruck seien vergleichbar zu berechnen und es gebe innovative Lösungen, auch mit KI-Unterstützung

Schulze brachte als Beispiel für den Digitaldruck den „Walliser Boten“ von Mengis Druck in Visp, CH, der 2015 vom Offset- komplett auf den Digitaldruck gestellt hatte, nach zwei Jahren aber wieder zum Offset zurückgekehrt war bzw in eine Offsetdruckerei ausgelagert hat. Gründe hierfür waren die hohen Kosten pro Exemplar.

Der SV Zeitungsdruck druckt in verschiedenen Formaten eigene und fremde Zeitungen.

Bei den Zeitungsformaten sieht Schulze noch Einsparungs- bzw. Konsolidierungspotenzial:
– Nordisches (Norddeutsches) Format: 570 mm x 400 mm,
– Rheinisches Format: 510 mm x 350 und
– Berliner Format: 470 mm x 315 mm.

Würden sich das Nordische (etwas größer) und das Berliner Format (etwas kleiner) annähern (im Sinne von halbem Nordischen = Berliner Format), könnten beide Formate mit unterschiedlichen Produkten auf einer Maschine kostengünstiger, da mit einer höheren Auslastung, laufen. Hier gibt es also noch Potenzial und Koenig & Bauer sowie manroland Goss sollten hierfür die technischen Voraussetzungen (Falzapparate etc.) liefern können.

Schwerpunktthema beim WPS: Nachhaltigkeit

Der World Printers Summit stand unter dem Motto „Nachhaltigkeit“. Noch gebe es laut, Gierth, keine eindeutigen Zahlen und Fakten, welches Medium nachhaltiger ist: Print oder Digital. Zurzeit laufen Studien hierzu bei Medienhäusern (F.A.Z., Funke, Rheinische Post und SZ) in Deutschland mit einer speziellen Software.

Siebert bemerkte: Als Regionalverlag ist das Thema Nachhaltigkeit eng mit der Konsolidierung verbunden. Hier spielen zum Beispiel die Transportkosten eine große Rolle, wenn die Wege für die Zustellung (durch weggefallene Druckstandorte) wesentlich weiter werden.

Nachhaltigkeit könne auch im digitalen Bereich durch die Kombination von Server-Farmen mit Windrädern und deren ungenutzter Energie erreicht werden, wie Pilotprojekte in NRW gerade zeigen würden.

Styria versucht, so Wilms, Nachhaltigkeit im technischen Bereich durch Photovoltaik-Anlagen, optimierte Kompressoren, Abwärmenutzung und Recyclingmöglichkeiten sowie in der Außendarstellung durch das Einhalten der Umweltstandards bzw. -siegel Österreichisches Umweltzeichen und EU Ecolabel zu erreichen.

Außerdem fragen Kunden nach und nach: „Wie geht Ihr mit dem Thema um?“

Schulze fügte hinzu: Auch bei den Kunden und Sponsoren des Süddeutschen Verlages steigt die Zahl, die nach der CO2-Neutralität des Medienhauses fragen, sodass direkter Handlungsbedarf entsteht.

Aus dem Plenum erwähnte Almut Reichart vom Umweltbundesamt noch den Blauen Engel als weiteres Umweltgütesiegel.

Gierth bedankte sich abschließend bei allen Teilnehmern. Die Veranstaltung, die erste dieser Art in deutscher Sprache, endete mit kräftigem Applaus.

 Weitere aktuelle und interessante Quellen zum Thema Konsolidierung:

Veränderung des NOZ-Abomodells: Reduzierung der Auflage vs. Investition in die Digitalisierung der Printleser

Zukunft der Regionalzeitungen: MZ-Geschäftsführer Marco Fehrecke (im Interview): „Wir wollen die Zustellung sicherstellen“

 Transformation: Abschied von Print auf die harte Tour

Aachener Zeitungsdruckerei wird Mitte 2024 stillgelegt: Fortführung des Betriebs bei Euregio-Druck „nicht mehr wirtschaftlich darstellbar“

Neue Pressegesellschaft und SDZ Mediengruppe stellen Druckbetrieb in Crailsheim ein

DuMont stellt Betrieb von hauseigener Druckerei ein

Papierindustrie: Strompreis-Entlastung schnell anders finanzieren

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